Marcel Dupré (1886 – 1971)
Marcel Dupré wurde am 3. Mai 1886 in Rouen in ein außergewöhnlich musikalisches Umfeld hineingeboren. Sein Vater studierte bei Alexandre Guilmant und war Organist an der Immaculée-Conception in Elbeuf und an Saint-Ouen in Rouen. Seine Mutter war Cellistin und Pianistin und hatte die Gabe eines absoluten Gehörs. Beide Großväter von Marcel Dupré waren Organisten oder Chorleiter. Sein Onkel Henri Dupré, ein Geiger, war Englischprofessor und promovierte über das Leben Henry Purcells.
1893 trat Marcel Dupré erstmals öffentlich auf und wurde 1898 zum Titularorganisten der Kirche Saint-Vivien in Rouen ernannt.
Schon in jungen Jahren begann er zu komponieren und setzte sich mit allen Genres der Musik auseinander: Instrumentalmusik, Vokalmusik, Klaviermusik, Kammermusik. So komponierte er unter anderem 1901 die Kantate La Vision de Jacob.
Im Jahr 1905 erhielt er den ersten Preis im Fach Klavier am Pariser Konservatorium in der Klasse von Louis Diémer und 1906 berief ihn Charles-Marie Widor zu dessen Stellvertreter an der großen Orgel von Saint-Sulpice.
Weitere Erste Preise folgten: 1907 für Orgel in der Klasse von Alexandre Guilmant, 1909 für Orgel in der Klasse von Widors.
Charles-Marie Widor war es auch, der ihn überredete, sich um den Grand Prix de Rome zu bewerben, den er 1914 mit seiner Kantate Psyché gewinnen sollte.
Marcel Dupré verfügte über ein außergewöhnliches Gedächtnis. Daher beschloss er 1920, in zehn Konzerten an der Orgel des Pariser Konservatoriums das gesamte Orgelwerk von Johann Sebastian Bach auswendig aufzuführen. Dies war eine Weltpremiere. Dieses Kunststück wiederholte er 1921 an der Orgel des Palais du Trocadéros und später in Kanada.
Von 1916 bis 1920 hielt sich Louis Vierne in der Schweiz wegen einer Behandlung seiner Augen auf. In dieser Zeit vertrat Dupré ihn an der großen Orgel von Notre-Dame de Paris.
In diese Zeit fällt auch der Beginn von Duprés internationale Karriere: 1920 gab er sein England-Debut in der Royal Albert Hall in Anwesenheit der königlichen Familie.
Dank des Musikdirektors des Wanamaker Stores und auf Anraten Widors machte Marcel Dupré 1921 seine erste Tournee durch die Vereinigten Staaten und Kanada. Auf dieser Reise wurde er „musikalisches Wunder“ gefeiert, nachdem er eine Symphonie in 4 Sätzen über vorgegebene Themen improvisiert hatte. Während seines gesamten musikalischen Lebens, sei es als Organist in der Liturgie oder im Konzert, improvisierte Dupré leidenschaftlich in allen musikalischen Formen, wobei die Fuge vielleicht seinem Lieblingsmodell zählte (u. a. improvisierte er in einem Konzert eine Tripelfuge).
1926 folgte Marcel Dupré auf Eugène Gigout als Professor der Orgelklasse am Pariser Konservatorium. Er bildete viele berühmte Organisten aus, wie Jeanne Demessieux, Rolande Falcinelli, Marie-Madeleine Duruflé, Pierre Cochereau, Olivier Messiaen, Jehan Alain, Jean Guillou um nur einige seiner Studenten zu nennen.
Neben seiner Lehrtätigkeit am Pariser Konservatorium unterrichtete Dupré auch an der École Normale de Musique de Paris und am American Conservatory in Fontainebleau.
Als Widor Ende 1933 den Organistenposten an Saint-Sulpice aufgab, trat Dupré auf Wunsch Widors dessen Nachfolge am 1. Januar 1934 an.
1939 tourte Marcel Dupré durch Australien und setzte seine Tournee in den Vereinigten Staaten fort. Während des Zweiten Weltkriegs blieb er in Frankreich.
Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs 1945 führte Dupré erneut das gesamte Orgelwerk Bachs in Saint-Philippe du Roule in Paris auf.
1948 unternahm Marcel Dupré seine zehnte Konzertreise in die Vereinigten Staaten. 1954 gab er seine Orgelklasse ab und wurde zum Direktor des Pariser Konservatoriums ernannt. In dieser Zeit führte er eine Reihe von Reformen durch, wie etwa die Einrichtung einer Cembaloklasse.
Im Jahr 1956 wurde er zum Mitglied der Académie des Beaux-Arts de l‘institut de France gewählt.
Er starb am Pfingstsonntag, den 30. Mai 1971 in Meudon, nachdem er noch am Morgen in Saint-Sulpice gespielt hatte.
Während seines Lebens erhielt Marcel Dupré mehrere Ehrungen:
Er spielte über 2.200 Konzerte in Nordafrika, Deutschland, Australien, Belgien, Kanada, den USA, Frankreich, Italien, den Niederlanden, dem Vereinigten Königreich und der Schweiz. Darunter waren auch viele Konzerte mit Orchestern, mit denen er einige seiner eigenen Werke oder von ihm angefertigte Transkriptionen aufführte. Dupré war ein vielseitiger Musiker und schrieb für Orgel, Orgel und Orchester, Orgel und Klavier, Klavier, Klavier und Orchester, Kammermusik, Motetten, Lieder, die symphonische Kantate De Profundis, das Oratorium La France au Calvaire und zahlreiche Transkriptionen. Sein veröffentlichtes Werk umfasst 65 Opusnummern.
Marcel Duprés Ziel war es, das hohe Niveau der französischen Orgelschule fortzuführen und zu vollenden. Er schrieb zahlreiche pädagogische Werke: Abhandlungen über Improvisation und die Methodik des Orgelspiels, sowie über Harmonielehre, Kontrapunkt, Fuge und zur Begleitung des gregorianischen Chorals. Darüberhinaus Handbücher über Akustik, stilgebundene Harmonisation, stilgebundene Orchestrierung, Komposition, Orgelbau, Musikphilosophie und eine Handreichung zur Vorbereitung zur Improvisation.
Außerdem hat er alle Orgelwerke von Bach (12 Bände), Händel (4 Bände), Liszt (1 Band), Mendelssohn (1 Band), Schumann (1 Band), Franck (4 Bände) und Glazounow (1 Band) editiert, kommentiert und mit Fingersätzen versehen.
Er arbeitete mit mehreren Plattenlabels zusammen, insbesondere mit Mercury, Philips, Lumen, und hinterließ eine beeindruckende Diskographie.
Bruno Chaumet
Präsident der Association des Amis
de l’Art de Marcel Dupré